Issues Manage­ment hat ein hohes Poten­zial für Nonpro­fit-Or­ga­ni­sa­tio­nen und kann dabei behilf­lich sein, das Span­nungs­feld zwischen aufkom­men­der Konkur­renz­si­tua­tion und Kommer­zia­li­sie­rung des Dritt­sek­tors sowie der eige­nen Werte­ori­en­tie­rung und der Arbeit mit stark vulnera­blen Menschen ziel­füh­rend im Auge zu behal­ten. Dies zeigt eine Unter­su­chung von Silja Koch Germann und Eva Zwah­len im Auftrag der Cari­tas Aargau.

Text: Eva Zwah­len & Silja Koch Germann, Master­stu­die­rende Soziale Arbeit Berner Fach­hoch­schule BFH

Über­neh­men Nonpro­fit-Or­ga­ni­sa­tio­nen (NPO) Instru­men­te, die ihren Ursprung im Profi­t­um­feld haben, so erge­ben sich daraus unter­schied­li­che poten­ti­elle Span­nungs­fel­der. Dies liegt unter ande­rem an den unter­schied­li­chen Ziel­set­zun­gen: Nonpro­fit-Or­ga­ni­sa­tio­nen orien­tie­ren sich an einer star­ken Sach­ziel­do­mi­nanz, woge­gen Forpro­fit-Or­ga­ni­sa­tio­nen eine Formal­ziel­do­mi­nanz besit­zen. Gleich­zei­tig können die Gren­zen zwischen Profit­or­ga­ni­sa­tio­nen und NPO in vielen Berei­chen nicht mehr trenn­scharf gezo­gen werden: Forpro­fit-Or­ga­ni­sa­tio­nen entwi­ckeln Werte­ko­di­zes, kommu­ni­zie­ren werte­ba­siert und beken­nen sich zu Corpo­rate Social Respon­si­bi­li­ty, weil die Anfor­de­run­gen der Öffent­lich­kei­ten gestie­gen sind. NPO wiederum haben Leis­tungs­ver­träge mit der öffent­li­chen Hand, agie­ren in einer hoch­kom­ple­xen Umwelt und haben häufig mit heik­len Themen zu tun, die ein sorg­fäl­ti­ges Risk und Issues Manage­ment unum­gäng­lich machen.

Komple­xi­tät eines hoch­sen­si­blen Umfelds
NPO, insbe­son­dere solche des Sozi­al­be­reichs, bewe­gen sich in einem hoch­sen­si­blen Umfeld: Die Menschen und ihre Ange­hö­ri­gen, mit denen die Sozi­al­ar­bei­ten­den zu tun haben, befin­den sich oftmals in Ausnah­me­si­tua­tio­nen, zu deren Bewäl­ti­gung sie auf profes­sio­nelle Bera­tung zurück­grei­fen. Dabei stos­sen die Fach­leute nicht selten in Lebens­be­rei­che vor, die für die Klien­tin­nen und Klien­ten sehr persön­lich sind, Wider­stände hervor­ru­fen oder Ziel­kon­flikte produ­zie­ren können. Die Komple­xi­tät orga­ni­sa­tio­na­len Handelns wird durch die Ansprü­che weite­rer Stake­hol­der erhöht. Auch inten­si­vie­ren allge­meine gesell­schaft­li­che Trends, wie beispiels­weise die Digi­ta­li­sie­rung oder gestei­gerte Skan­da­li­sie­rungs­ri­si­ken, diese zusätzlich.

Syste­ma­ti­sches Moni­to­ring der Unternehmensumwelt
Das syste­ma­ti­sche Moni­to­ring der Unter­neh­mensum­welt sowie das Anti­zi­pie­ren von öffent­lich­keits­wirk­sa­men Themen (Issues genann­t), die für die eigene Orga­ni­sa­tion rele­vant sind, diese poten­ti­ell in ihrer Hand­lungs­fä­hig­keit einschrän­ken oder ihre Repu­ta­tion gefähr­den können, haben für NPO einen zentra­len Stel­len­wert. Issues Manage­ment lässt sich defi­nie­ren als ein syste­ma­ti­sches Verfah­ren, das durch koor­di­nier­tes Zusam­men­wir­ken von stra­te­gi­schen Planungs- und Kommu­ni­ka­ti­ons­funk­tio­nen interne und externe Sach­ver­hal­te, die eine Begren­zung stra­te­gi­scher Hand­lungs­spiel­räume erwar­ten lassen oder ein Repu­ta­tionsrisiko darstel­len, früh­zei­tig loka­li­siert, analy­siert, prio­ri­siert und aktiv durch Mass­nah­men zu beein­flus­sen versucht sowie diese hinsicht­lich ihrer Wirk­sam­keit evaluiert.

NPO für Issues Manage­ment prädestiniert
Die Unter­su­chung von Silja Koch Germann und Eva Zwah­len hat gezeigt, dass es mit Blick auf Issues Manage­ment keine Rolle spielt, ob eine Orga­ni­sa­tion profit­ori­en­tiert ist oder ob es sich um eine NPO handelt. Orga­ni­sa­tionen in dyna­mi­schen Umfel­dern und mit Stake­hol­dern, welche mass­geb­lich Einfluss auf die Orga­ni­sa­tion nehmen können, soll­ten sich syste­ma­tisch mit densel­ben ausein­an­der­set­zen. Weitere Erkennt­nisse sind:

  • Issues Management ist massgeblich an verfügbare Ressourcen gekoppelt.
  • Issues Management hat einen direkten Bezug zum Risikomanagement und zur strategischen Planung einer Organisation.
  • Issues Management stösst interne Denkprozesse an, hat eine interne Integrationsfunktion und einen organisationskulturellen Aspekt.
  • Eine Krise ist häufig ein Anlass für Issues Management und dafür, dass betroffene Organisationen ihre Prozesse professionalisieren.
  • NPO müssen, weil ihre Arbeit stark in die Gesellschaft eingebettet ist, grundsätzlich offen für Issues Management sein.
  • Issues Management kann in NPO zentral oder dezentral organisiert werden. Dies hängt massgeblich davon ab, welche Informationen man gewinnen will und wo oder wie die Informationen verfügbar sind.
  • NPO haben einen steten Grundkonflikt zwischen Öffnung und der Missionsbindung. Sie bewegen sich in Widersprüchlichkeiten, die nie auflösbar sind.
  • Social Media sind für NPO eine Möglichkeit und Quelle, an relevante Informationen heranzukommen. Auch hier muss die Ressourcenfrage im Auge behalten werden.
  • Verbände könnten für NPO die Aufgabe des Issues Managements (via Social Media) übernehmen, wie sie dies oftmals auch beim Lobbying machen.

Die Unter­su­chung hat abschlies­send gezeigt, dass das Instru­ment des Issues Manage­ment ein hohes Poten­zial für NPO hat und dabei behilf­lich sein kann, das Span­nungs­feld zwischen aufkom­men­der Konkur­renz­si­tua­tion und Kommer­zia­li­sie­rung des Dritt­sek­tors sowie der eige­nen Werte­ori­en­tie­rung sowie der Arbeit mit stark vulnera­blen Menschen gewinn­brin­gend und ziel­füh­rend im Auge zu behal­ten.

Literatur

Eisen­egger, Mark & Künst­le, Dani­el. (2014). Issu­es- und Repu­ta­ti­ons­mo­ni­to­ring. In Heike Schol­ten & Klaus Kamps (Hrs­g.), Abstimmungskampagnen (S. 279-301). Wies­ba­den: Sprin­ger VS.

Gmür, Markus & Will, René. (2015). Risi­ko­ma­nage­ment als Führungs­auf­ga­be. Verbands- Manage­ment, 2/2015, 6-14.

Ingen­hoff, Diana & Rött­ger, Ulri­ke. (2006). Issues Manage­ment. In Beat F. Schmid & Boris Lyczek (Hrs­g.), Unternehmenskommunikation (S. 319-350). Wies­ba­den: Gabler.

Koch Germann, Silja & Zwah­len, Eva. (2021). Issues Manage­ment im Nonpro­fit-Be­reich – Mehr­wert & Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten, darge­stellt am Beispiel Cari­tas Aargau (Unver­öf­fent­lich­ter Leis­tungs­nach­weis). Berner Fach­hoch­schule – Soziale Arbeit: Bern.

Krum­menach­er, Jürg, Buer­k­li, Chris­to­ph, Bürk­ler, Paul & Schny­der, Albert. (Hrs­g.). (2019). Manage­ment von Nonprofit-Organisationen. Genf und Zürich: Seismo.


Forschungsfrage und Untersuchungsdesign

Im Auftrag der Cari­tas Aargau sind Silja Koch Germann und Eva Zwah­len im Rahmen einer Semes­ter­ar­beit unter ande­rem der Forschungs­frage nach­ge­gan­gen, welches der Mehr­wert und die Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten des Issues Manage­ment im Nonpro­fit-Be­reich sind. Dabei unter­such­ten sie weiter, welche aktu­el­len Forschungs­er­geb­nis­se, Trends und Metho­den es zu Issues Manage­ment im Allge­mei­nen und insbe­son­dere im NPO-Be­reich gibt. Zur Gewin­nung dieser Infor­ma­tio­nen verban­den die beiden Auto­rin­nen die Erkennt­nisse einer Lite­ra­tur­re­cher­che mit einem Exper­ten­in­ter­view, das sie mit Prof. Dr. Markus Gmür, Lehr­stuhl für NPO-Manage­ment am Insti­tut für Verband­s-, Stif­tungs- und Genos­sen­schafts­ma­nage­ment (VMI) der Univer­si­tät Frei­burg, durchführten.


Zu den Autorinnen

Silja Koch Germann ist ausge­bil­dete Sozi­al­ar­bei­te­rin (BSc in Sozia­ler Arbeit FHNW). Sie hat lang­jäh­rige Erfah­rung als Case Mana­ge­rin im Bereich der Sucht­hilfe und inter­es­siert sich insbe­son­dere für stra­te­gi­sche Konzepte und Manage­men­t­an­sätze im Bereich der Sozia­len Arbeit. Seit 2019 absol­viert sie das Master­stu­dium Soziale Arbeit an der Berner Fach­hoch­schule BFH. Eva Zwah­len verfügt über lang­jäh­rige Berufs­er­fah­rung im Bereich der Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­tion im Public- und Nonpro­fit-Be­reich und hat ein MAS in Commu­ni­ca­tion Manage­ment HSLU. Sie studiert eben­falls seit 2019 im Master Soziale Arbeit an der Berner Fach­hoch­schule BFH.


Silja Koch Germann
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Eva Zwahlen
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